Anfrage zur Entwicklung und Prognose der Gewerbesteuern in Hannover

Anfrage
gem. §14 der Geschäftsordnung des Rates der Landeshauptstadt Hannover

 

Anfrage zur Entwicklung und Prognose der Gewerbesteuern in Hannover

 

Die Verwaltung der LHH hat den Haushalt 2015 sowie das Haushaltskonsolidierungsprogramm IX vornehmlich mit einem drastischen Einbruch der Gewerbesteuereinnahmen in einem Umfang von 80-120 Mio € begründet. Die LINKE –Fraktion hat bereits im November 2014 darauf verwiesen, dass die mit „Umstrukturierungen“ begründeten verminderten Gewerbesteuerzahlungen einiger lokaler Großunternehmen nicht nachvollziehbar seien. Basis dieser Kritik war und ist die Publikation der NordLB zu den 100 größten Unternehmen in Niedersachsen (http://www.hannover.ihk.de/ihk-themen/konjunktur-statistik/aktuell/nordlbliste.html) Dort wurde bereits am 13.Nov.2014 ausgeführt: „Insgesamt konnten die Unternehmen der Top-Ten-Liste im Geschäftsjahr 2013 einen Umsatzanstieg von über zwei Prozent bei einem Wachstum der Mitarbeiterzahl von sechs Prozent verzeichnen. Bei 26 der gelisteten Unternehmen hat der Umsatz die Schwelle von 1,5 Mrd. Euro überschritten. Weitere 11 Unternehmen, und damit zwei Unternehmen mehr als im Vorjahr, konnten einen Umsatz von über 1 Mrd. Euro verbuchen.
Die Unternehmen wurden gebeten, auch für das aktuelle Geschäftsjahr 2014 eine Umsatzprognose abzugeben. „Durchschnittlich erwarten die befragten Unternehmen im Jahr 2014 ein Umsatzwachstum von drei Prozent gegenüber dem Vorjahr“, erklärt Torsten Windels, Chefvolkswirt der Nord/LB.
Weder in der wirtschaftlichen Fachpresse noch von der Wirtschaftsredaktionen der örtlichen Leitmedien wurden seither konjunkturelle, brachen- oder unternehmensspezifische Krisenlagen vermeldet, die einen Gewinneinbruch der örtlichen Wirtschaft und der für die Zerlegung der Gewerbesteuer maßgeblichen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung begründen könnten. Vielmehr lesen wir regelmäßig über hervorragende Geschäftsergebnisse und Prognosen für 2015 derjenigen Großunternehmen, die in Hannover Betriebsstätten unterhalten wie VW/ VWN, TUI, TALANX, Conti/Contitech, AGRAVIS, Solvey, Johnsons Controlls/ JC-Autobatterie KGaA, Nexans, TÜV-Nord und WABCO , die alle einen Jahresumsatz von über 1 Mrd.€ in 2014 erwirtschaftet haben und mindestens 1000 Mitarbeiter am Standort beschäftigen.  Auch im nationalen Städtevergleich ist von einem vergleichbaren Gewerbesteuereinbruch nicht die Rede. Frankfurt/M. z.B. vermeldet ein Rekordergebnis von über 725 Mio € GewSt in 2014, obwohl es einen deutlich riskanteren Branchenmix als Hannover aufzuweisen hat und vor allem im Produktionsbereich „Mobilität“ strukturelle Nachteile gegenüber Hannover hat.

Den lapidaren Hinweis auf „Umstrukturierungen“ in den Hannoverschen Unternehmungen, die ihre Gewerbesteuerzahlungen „vorsorglich“ in 2014 vermindert haben, darf die Verwaltung der LHH nicht einfach hinnehmen und zur Grundlage ihrer Einsparplanungen machen. Vielmehr ist sie nach Ansicht der LINKEN gehalten, die außergewöhnlichen Einnahmeausfälle aufzuklären und der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Denn Steuervermeidungs- und optimierungsstrategien von Großunternehmen sind in den letzten Monaten in den unterschiedlichsten Medien ausführlich beschrieben und kritisiert worden. Sie bieten auch die Grundlage für allerlei Verschwörungstheorien, denen zu begegnen auch im Interesse der von der NordLB regelmäßig beschriebenen Großunternehmen liegen müsste. Vor allem aber muss die Finanzverwaltung der LHH deutlich machen, dass sie nicht einfach Steuerverkürzungen der Unternehmen passiv hinnimmt, ohne deren Anspruchsgrundlage fachlich zu prüfen.

Die LINKE- Ratsfraktion geht nicht so weit, die Veröffentlichung der Quartals- Steuerbescheide dieser Unternehmen - über deren öffentliche Quartalsberichte hinaus - zu fordern. Jedoch ist sie u.E. dazu verpflichtet, einen Abgleich zwischen Steuerzahlung und bilanziellem Quartalsbericht vorzunehmen und diesen dem Finanzausschuss des Rates darzulegen und zu diskutieren.

Die LINKE fordert allerdings die Veröffentlichung der Gewerbesteuerzahlungen der öffentlich beteiligten Unternehmen. Dies ist u.E. unabdingbar, um z.B. auch den kompletten Ausfall der entsprechenden Beiträge der Messe AG oder auch der Beitragsminderung der Stadtwerke für den Erhalt der öffentlichen Infrastruktur zu dokumentieren. Es kann nicht angehen, dass Vorstände solcher öffentlichen Unternehmen sich einerseits in weihnachtlichen Charity-Aktionen mit namhaften Spenden präsentieren, andererseits gute Gründe für Steuerminderungen reklamieren.

Die LINKE hält ein kontinuierliches Kosten- und Einsparcontrolling im Bereich der Verwaltung für grundsätzlich gut und richtig. Wenn sich nun aber die Plandaten ins Positive verändern, fehlt bisher eine Strategie, mit welchen Prioritäten das beschlossene Haushaltskonsolidierungsprogramm nachjustiert wird, oder ob nicht auch zusätzliche und sinnvolle Zusatzausgaben nach Antragstellung der Fraktionen erfolgen können. Die LINKE hat dazu in ihrem haushaltspolitischen Positionspapier 2015 „ Mit ruhiger Hand“ eine Reihe von Vorschlägen gemacht und verweist zusätzlich auf die jüngst sich verschärfende Dramatik bzgl. der Flüchtlingsversorgung und –integration sowie einem kommunalen Beitrag zur Bekämpfung der Fluchtursachen. Die LINKE regt an, überplanmäßige zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen hälftig zu interfraktionell abgestimmten Nothilfeprogrammen sowie zur Entlastung von unerreichbaren/ stark kritisierten Einsparauflagen des HSK IX zu verwenden.

 

Deshalb fragen wir die Verwaltung vor dem Hintergrund der Gewerbesteuereinahmen im 4 Quartal 2014 und dem 1. Quartal 2015:

 

  1. Wie sich die Verwaltung den Widerspruch zwischen ihrer eigenen kurz- und mittelfristigen Prognosen abgesenkter Gewerbesteuereinnahmen und den veröffentlichten wirtschaftlichen Erfolgsmeldungen der lokalen und regionalen Großunternehmen erklärt, und welche Schritte unternommen werden um etwaige Widersprüche aufzuklären?

  2. Hat die Verwaltung Kenntnis über steuerlich relevante Gewinnverlagerungen lokaler und regionaler Unternehmen ins Ausland, um so der Gewerbesteuerpflicht in unserer Stadt zu entgehen, und ist dabei Hinweisen in den sog. „Luxemburg-Leak-Papieren“ nachgegangen worden und zu welchen Ergebnissen hat dies geführt?

  3. Nach welchen Prioritäten werden die mehrheitlich von Rot-Grün beschlossenen Einsparvorschläge aufgehoben, falls sich die Gewerbesteuereinnahmesituation entsprechend der Gewinnmeldungen der lokalen Großunternehmen verbessern sollte?

 

Oliver Förste
Fraktionsvorsitzender