Radioaktiver Giftmüll in Hannover-List

Die Wellen der Empörung bei den Anwohnern rund um den De-Haën-Platz in der List schlagen hoch. Nachdem dort zunächst radioaktive Belastungen entdeckt worden waren, fand man kurze Zeit später auch noch giftige Schwermetalle, wie Arsen und Quecksilber, im Boden.

Belastet sind Gehwege, Hinterhöfe und einige Keller. Eltern machen sich jetzt Sorgen um ihre spielenden Kinder, Obst und Gemüse aus den betroffenen Gärten sollte nicht gegessen werden - und die Sanierung wird richtig teuer. Es fragt sich nur, für wen.

Die Altlasten stammen aus der Produktion der Chemiefabrik Riedel de Haën, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts dort ansiedelte und verschiedene Chemikalien produzierte, so auch radioaktive thoriumhaltige Glühfäden für Lampen. 1902 siedelte die Fabrik nach Seelze um, dort existiert sie heute noch. Sie wurde 1999 vom milliardenschweren US-Rüstungskonzern Honeywell aufgekauft, dessen Umsatzprognose für 2008 auf rund 38 Milliarden Dollar geschätzt wird.

Informationen blieben im Giftschrank

Es kann eigentlich niemanden überraschen, dass sich auf dem ehemaligen Werksgelände auch heute noch giftige und strahlende Reste aus der früheren Produktion wiederfinden. Zwar hatte schon Anfang der 90er Jahre ein Gutachten des Niedersächsischen Umweltministeriums auf die Altlast hingewiesen, doch die damals noch zuständige Landeshauptstadt Hannover stellte das Gutachten ungelesen ins Regal und gab es später an die Region Hannover weiter, die es offensichtlich ebenfalls nur im Buchregal einordnete. „Die gegenseitigen Schuldzuweisungen zwischen der Landeshauptstadt und der Region Hannover sind ein Skandal", betont Michael Höntsch, Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Rat, der selbst in der List wohnt. „Scheibchenweise werden wir von den Behörden mit neuen Hiobsbotschaften über die Altlasten überrascht. Die Region Hannover muss als zuständige Bodenschutzbehörde dafür sorgen, dass schnellstmöglich auf Kosten der Firma Honeywell saniert wird."

Verursacher zur Sanierung heranziehen

Honeywell ist Rechtsnachfolger des Verursachers, und könnte deshalb zur Verantwortung gezogen werden. Im Einvernehmen mit der Region will die Stadt die Sanierung der öffentlichen Flächen dagegen selbst übernehmen und sie ansonsten den Eigentümern der Wohnhäuser und Grundstücke überlassen. Der linke Regionsabgeordnete und Altlastenexperte Dr. Michael Braedt bringt es auf den Punkt: „Offensichtlich sieht es Regionspräsident Hauke Jagau (SPD) als vorrangig an, finanzkräftige Konzerne vor ihren Sanierungsverpflichtungen zu schützen und dafür Familien, die ohne Argwohn Privatwohnungen in der List erworben haben, die Kosten der Sanierung aufzudrücken. Die Bevölkerung ist durch die Altlasten und die jahrelang ertragene mögliche Gefährdung schon genug betroffen, jetzt darf man sie nicht noch zusätzlich mit den Sanierungskosten belasten." Ähnlich sieht das auch die inzwischen gegründete Bürgerinitiative „Interessengemeinschaft Chemiemüll List". Sie fordert, zunächst alle Untersuchungsergebnisse abzuwarten und dann eine gemeinsame Sanierung aller Flächen. DIE LINKE im Landtag hat die Landesregierung inzwischen aufgefordert, gegen die Region Hannover fachaufsichtlich vorzugehen, weil sie den Honeywell-Konzern unter Verstoß gegen das Bodenschutzgesetz vor seinen Sanierungsverpflichtungen bewahren wolle. Für Altlasten, für die sich kein Verursacher mehr haftbar machen lässt, fordert DIE LINKE außerdem einen Altlastenfonds unter Beteiligung der Industrie.