"Antikapitalismus von Rechts"

Die Veranstalter des in Hannover am 1. Mai geplanten Nazi-Aufmarsches nennen sich selbst „Nationale Sozialisten". Dieser Begriff soll nicht nur an den historischen Nationalsozialismus erinnern, sondern damit versuchen die Rechten auch, die soziale Frage und die sogenannte Systemfrage zu besetzen.

Original: Die kapitalismuskritische Linke will auf der ganzen Welt die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beseitigen. Dazu gehört der Widerspruch zwischen den Klassen, das heißt Arbeitgebern und Arbeitnehmern, also Kapital und Arbeit. Dazu gehören auch die bestehenden Herrschaftsverhältnisse, die das kapitalistische Wirtschaftssystem stützen. Kurz gesagt geht es der sozialistischen Linken darum, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (Karl Marx). Alle Menschen werden von der Linken als gleichwertig betrachtet.

Und Fälschung: Das rechtsextreme Menschenbild dagegen stellt eine kategoriale Ungleichheit der Menschen fest, getrennt vor allem nach den Kategorien „Volk und Rasse". In der „Volksgemeinschaft" einer Nation mit ihrem „artgemäßen Lebensraum" würden die Klassengegensätze angeblich aufgehoben, propagieren die Nazis. So wird die vorgebliche Kapitalismuskritik in eine nationale, völkische Richtung gewendet: Das Kapital wird aufgeteilt in ein „schaffendes" bodenständig-deutsches Industriekapital und ein „raffendes" fremdes Finanzkapital. Drahtzieher dieses „raffenden" Kapitals sei das „Weltjudentum", vornehmlich lokalisiert an der Ostküste der USA. Juden hätten in den Machtzentralen des Weltkapitalismus eine „Schlüsselstellung", fantasiert beispielsweise der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Jürgen Gansel. Das nun ist der Kern dieser menschenfeindlichen Ideologie: Rassismus und Antisemitismus. „Die extrem rechte Kapitalismuskritik basiert auf einer völkischen Grundlage und negiert den linken, universalistischen Anspruch auf gleiche Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Reichtum und an den politischen Entscheidungen."(1)

Solche scheinbar kapitalismuskritischen Ideologien werden inzwischen von Teilen der „Freien Kameradschaften", z.B. den „Autonomen Nationalisten" vertreten, die im Vorfeld der G8-Proteste ihre sogenannte „Antikap-Kampagne" als Beginn einer „neuen antikapitalistischen, nationalen und sozialistischen Jugendbewegung" gestartet haben. Diese „Kameradschaften" meinen, dass „der Sozialstaat nur als abgeschotteter Nationalstaat vor dem Ansturm des internationalen Kapitals gerettet und gesichert werden" könne.(2) Auch die NPD betreibt in den vergangenen Jahren eine „Nationalisierung der sozialen Frage" und wünscht sich eine „raumorientierte Volkswirtschaft", um den „Globalisierungsangriff auf den ländlichen Raum" abzuwehren. (3)

Historisch betrachtet war auch die NSDAP eine Kampforganisation gegen die linke Arbeiterbewegung. Die Hitler-Partei hatte bis Mitte der 30er-Jahre ihren sozialrevolutionären, antikapitalistischen Flügel mit den Brüdern Gregor und Otto Strasser. Im Mai 1932 sagte Gregor Strasser in einer Reichstagsdebatte: „Wenn der Verteilungsapparat des weltwirtschaftlichen Systems von heute es nicht versteht, den Ertragsreichtum der Natur richtig zu verteilen, dann ist dieses System falsch und muss geändert werden." (4) Nach der Machtergreifung durch Hitler wurden die Strasser-Brüder entmachtet. Über die „Neue Rechte", die Ende der 70er-Jahre von Frankreich aus ihre Theorien über Westeuropa ausbreitete, zieht sich ein ideologischer Strang bis in die heutigen Tage.

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(1) Gerd Alt und Torben Heine: Krisengewinnler. Mit einem „Antikapitalismus von Rechts" soll die Soziale Frage nationalisiert werden. In: Lotta#26; Antifaschistische Zeitung aus Nordrhein-Westfalen; Frühjahr 2007. Seite 11.

(2) Ebenda: Seite 12.

(3) Kevin Stützel: Antikapitalismus von rechts? Globalisierungskritik, die extreme Rechte und der G8-Gipfel in Heiligendamm. In: rls standpunkte 13/2007. Seite 3.

(4) Zitiert nach: ak – analyse & kritik – zeitung für linke Debatte und Praxis / Nr. 517 / 18.5.2007