Kleingärten müssen für Gewerbe weichen

Nach jahrelangem Streit hat das Ampelbündnis aus SPD, GRÜNEN und FDP Fakten geschaffen: Der Rat beschloss gegen die Stimmen der Opposition, die 18 Kleingärten in der Hainhölzer Kolonie Friedenau zu kündigen, um dort Gewerbe anzusiedeln. Die Kleingärtner*innen müssen nun bis zum Dezember 2020 ihre Parzellen an der Schulenburger Landstraße verlassen. Ersatzflächen sind nicht in Sicht.

In der vorausgegangenen Debatte unterstrich die Gruppe LINKE & PIRATEN die Bedeutung der Kleingärten fürs städtische Klima und als Naherholungsgebiet. Gerade in Zeiten des Klimawandels bleibe es unverständlich, warum hier ohne Not eine wichtige Grünfläche versiegelt werde, sagte Gruppenvize Bruno Adam Wolf (PIRATEN). „Sieht so der Kampf gegen den Klimawandel aus, für den Sie in der Öffentlichkeit wortgewaltig einstehen?“, fragte der Umweltpolitiker insbesondere die GRÜNEN. Kaltluftgebiete wie die Kolonie Friedenau seien in trockenen heißen Sommermonaten besonders wichtig, damit überhaupt noch kühlere Luft in die dichter bebauten Gebiete der Stadt fließen könne, mahnte Gruppenvorsitzender Dirk Machentanz (LINKE). Bruno Adam Wolf berichtete von seltenen Tierarten wie der Großen Bartfledermaus, die in der Kolonie Friedenau ihre Heimat gefunden habe.

Soziale Härten

Dirk Machentanz erneuerte seine Forderung, das Wohnen in Kleingärten zu legalisieren, bis die Wohnungsnot behoben ist. Bundesgesetze stünden dem zwar generell entgegen. Aber es gebe einen Ermessensspielraum, den die Stadt nutzen müsse, sagte er mit Blick auf das betagte Ehepaar Inge und Peter Hutschenreiter, beide über 70 Jahre alt. Sie leben auf Dauer in ihrem Häuschen in der Kolonie Friedenau, sind dort seit 20 Jahren gemeldet und wollten in ihrer vertrauten Umgebung auch ihren Lebensabend verbringen. Hutschenreiters wähnten sich auf der sicheren Seite. Sie zahlen Grunderwerbssteuer, Gebühren für Müllabfuhr und Straßenreinigung, Strom, Wasser und Telefon. Nun müssen auch sie ihr Häuschen verlassen. „Ist das der richtige Umgang mit Menschen, denen bislang noch nicht einmal ein adäquater Wohnraumersatz angeboten wurde?“, fragte Dirk Machentanz das Ampelbündnis.

Kopfschütteln bei Betroffenen

„Wir haben alles menschenerdenkliche getan, um den Leuten zu helfen“, sagte GRÜNEN-Ratsherr Mark Bindert. Diese Äußerung löste bei den betroffenen Kleingärtner*innen nur Kopfschütteln aus. Sie hatten auf der Zuschauertribüne des Ratssaals Platz genommen. „Den haben wir nie in unserer Kolonie gesehen“, kommentierte Kleingärtnerin Claudia Schneider nach der Ratssitzung. „Wir wurden nicht informiert. Ich habe das Kleingartenkonzept zufällig im Internet gefunden.“ Die heutige Hartz-IV-Bezieherin ist von der Entscheidung des Rates fundamental betroffen. „Ich habe 35.000 Euro in meinen Kleingarten gesteckt. Jetzt kriege ich vielleicht noch eine Entschädigung von 3.000 Euro, die dann auch noch zum Großteil beim Amt bleiben“, erzählt sie unter Tränen. „Ich kann mir keinen neuen Garten leisten. Jede und jeder von uns verliert richtig viel Geld. Ich habe auch nicht mehr die Kraft, mir einen neuen Garten anzulegen.“

Die Kolonie Friedenau ist Teil des umstrittenen Kleingartenkonzepts. Das sieht vor, gut 800 Parzellen stadtweit in Wohnbauland umzuwandeln. Die Stadt hat das Konzept zwar für die nächsten fünf Jahre ausgesetzt, weil sie genug Bauland in den großen Baugebieten „Kronsberg-Süd“, „Wasserstadt Limmer“ und ehemaliges Oststadtkrankenhaus hat. Der vorläufige Bestandsschutz gilt aber nicht für Parzellen, die für Gewerbe weichen sollen.